Strategie Mai 2020
Während sich die Märkte in den letzten Wochen von ihren Ausverkaufskursen erholten, bleibt die Stimmung der Anleger gedrückt. Es ist ungewöhnlich, dass sich kein bisschen Freude einstellen will. Befindet sich der Markt bereits in der Depression?
Anhaltend schlechte Stimmung
Obwohl sich die Aktienpreise in den letzten Wochen kräftig, teils um 30%, erholen konnten, hat dies im Anlegerlager nicht zu einer Stimmungsverbesserung geführt. Dies ist ungewöhnlich, denn normalerweise sind Preise und Stimmung positiv miteinander korreliert. Würde es sich bei dem Markt um einen Menschen handelt, der weiter alles grau in grau sieht obwohl sich die Umstände doch aufhellen, würde man wohl die Möglichkeit einer Depression in Betracht ziehen.
Tatsächlich besteht die Gefahr, dass das aktuelle Umfeld bei den Menschen depressive Gefühlslagen erzeugen kann. Denn alle Menschen rund um den Globus befinden sich in einem Verlustbewältigungsprozess. Durch die Corona-Krise und den globalen "shutdown" vieler essentieller Wirtschaftsbereiche ist ein gehöriges Unsicherheitsgefühl entstanden. Die amerikanische Psychologin Elisabeth Kübler-Ross hat in einem Modell beschrieben, welche Stufen wir Menschen durchlaufen, wenn wir große Verluste erleiden. In Phase 1 neigen wir Menschen zur Verdrängung. Es folgen Zorn und Feilschen als Phasen 2 und 3. Bevor wir die finale Stufe 5 der Akzeptanz erreichen, durchleiden Menschen oftmals eine depressive Phase.
Die aktuellen wirtschaftlichen Verwerfungen sind außergewöhnlich, es gibt für sie kein Vorbild. Wirtschaftliche und persönliche Sicherheiten werden durch die aktuelle Krise bedroht. Zudem wird den Menschen mehr und mehr bewusst, dass es noch Monate dauern kann, bis ein Impfstoff oder ein Medikament eine Rückkehr zu einer Normalität versprechen, die es dann aber vielleicht nicht mehr geben kann, weil die wirtschaftlichen Schäden bereits so groß sind, dass sich das Rad der Geschichte nicht mehr zurückdrehen lässt.
Eine Situation eines Kontrollverlustes tritt ein und depressive Gefühle verstärken sich. Menschen in einer Depression werden passiv, sie sind fast wie gelähmt. Dies ist für den wirtschaftlichen Erholungsprozess, der nun durch die beginnenden Lockerungsschritte eingeleitet werden soll, von großer Bedeutung. Denn die Gefahr besteht, dass sich nicht spontan wieder ein Kauflust einstellen wird. Glücklicherweise war die "lockdown"-Periode noch nicht so lange, dass eine Rückkehr zu einer früheren Konsumfreude ausgeschlossen ist.
Solange uns auf den Straßen aber überall Maskenträger begegnen (und damit die "Bedrohung" durch das Virus weiter das tägliche Straßenbild bestimmt), solange Firmen ihre Mitarbeiter nicht wieder an die Schreibtische zurück beordern und solange nicht wieder mit Freude ein Urlaub oder ein anderes Freizeitvergnügen geplant werden können, solange bleibt der Schatten der Krise über der Gesellschaft. Und damit die rezessiven Tendenzen bestehen.
Strategisches Grundvertrauen fällt
Das vorstehend Beschriebene gilt für die Anleger gleichermaßen. Es verwundert deshalb nicht, dass von Woche zu Woche das strategische Grundvertrauen abnimmt. Ein sinkendes Grundvertrauen ist jedoch problematisch, da es auf eine Verkaufsbereitschahft der Anleger hindeutet. Eine weitere Verkaufswelle ist aber bislang ebenfalls ausgeblieben.
Dies liegt zum einen daran, dass auch Anlegern, bei denen sich ein chronischer Pessimismus eingenistet hat und eine depressive Grundstimmung vorherrscht, wie depressive Menschen relativ passiv agieren. Man erduldet, erleidet, was der Markt einem anbietet. Anleger reagieren, sie agieren nicht.
Zum anderen befinden sich die Investitionsgrade bereits auf einem relativ defensiven Niveau. Aktuell messen wir bei beiden Anlegergruppen eine Unterinvestierung. Bei den Privaten eine moderate, bei den Profis eine durchaus erhebliche.
Die Frage ist, wie eine solche depressive Periode beendet werden kann. Oder um im Modell von Kübler-Ross zu bleiben, wie "Akzeptanz" hergestellt werden kann. In Verbindung mit dem Markt wird Akzeptanz grundsätzlich durch eine Portfoliohandlung hergestellt. Der Markt wird letztendlich, entweder durch steigende Kurse die Pessimisten weichkochen oder durch fallende Kurse die chronischen Optimisten zur Aufgabe zwingen.
Meist geht der Markt den Weg des geringsten Widerstands ("line of least resistance"). In unserem Falle würde dies eher auf steigende Kurse hinweisen, da gemäß unserer Daten der Markt unterinvestiert und damit die Mehrheit nur im Falle sehr stark sinkender Kurse ein Problem hätte. Moderat steigende Preise wären der leichtere Weg, die Mehrheit nicht zu belohnen.
Hoffnungs-Rallye - neuer Versuch?
Damit steht im Raum, dass die von uns proklamierte Hoffnungs-Rallye ihr Ziel noch nicht erreicht hat und in eine Verlängerungsrunde muss. Munition für eine solche Verlängerung ergibt sich nun durch die sentix Konjunkturerwartungen. Diese zeichnen zwar einerseits ein verheerendes Bild der aktuelle Lage. Ein Allzeit-Tief für Euroland spricht Bände.
Gleichzeitig senden die Erwartungswerte jedoch auch einen Silberstreif, denn die Erwartungswerte sind in Asien bereits positiv (= Aufschwung hat begonnen) und in Europa knapp oberhalb der Null-Linie (= Tiefpunkt erreicht). Damit wird es nun wahrscheinlich, dass sich auch andere Wirtschaftsindikatoren, nachdem die restriktiven Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nun sukzessive gelockert werden, in den nächsten Wochen verbessern. Diese "positiven" Datenveröffentlichungen könnten dann doch den einen oder anderen Investoren aus seiner Starre befreien und den eingegrabenen Pessimismus etwas auflockern.
Eine weitere Kurserholung ist möglich, ein neuer Bullenmarkt eher unwahrscheinlich. Click to Tweet
Beginnt damit ein neuer Bullenmarkt? Unseres Erachtens ist dies sehr unwahrscheinlich. Haben die Regierungen mit ihren Vorhersagen recht, dass uns die aktuelle Lage mit Maskenpflicht, Abstandsregelungen etc. noch Monate erhalten bleiben, wird sich das depressive Grundbild in der Realwirtschaft nicht wirklich verbessern. Vielmehr drohen bei andauernder wirtschaftlicher Verwerfung steigende Arbeitslosenzahlen und Unternehmenspleiten. Dies wäre für die Konjunktur sehr problematisch. Eine depressive Grundhaltung im realen Leben aufzubrechen, erfordert größere Anstrengungen und ein höheres Maß an persönlicher und wirtschaftlicher Freiheit als das, was derzeit bereitgestellt werden kann.
Ein Blick auf Anleihen und Gold
Auch wenn die Aktienlage fragil und die Verlängerung der Hoffnungs-Rallye bei Aktien keineswegs sicher ist, können wir uns für Anleihen zur Diversifikation unseres Portfolios nach wie vor nicht erwärmen. Die aktuelle Verbesserung der konjunkturellen Erwartungswerte ist ein Risikofaktor für langlaufende Anleihen. Die zunehmende Differenz zwischen Erwartungs- und Lagewerten signalisiert eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Versteilerung der Zinskurve, was ebenfalls ein Risiko für Anleger in längeren Laufzeiten ist. Viel Risiko, welches nur mit einer negativen Grundverzinsung erkauft werden kann. Das passt für uns nicht. Eine Ausnahme bilden für uns US-Staatsanleihen, wo zumindest die positive Grundverzinsung etwas Kompensation verspricht. Insgesamt bleiben wir bei Anleihen defensiv.
Positiver als zuletzt blicken wir auf Edelmetalle. Hier beibt das Grundvertrauen ungebrochen und die Positionierung der Anleger, die zwar insgesamt hoch ist, hat sich entgegen dem steigenden Grundvertrauen zurückgebildet. Das sind zwar keine perfekten Voraussetzungen für große Kursgewinne, aber aus unserer Sicht nach wie vor ein besserer Diversifikator als Anleihen.
Wie sich unsere Fonds in diesem Umfeld positionieren und wie die Entwicklung im abgelaufenen Monat war, erfahren Sie je nach Fonds hier: