Strategie Oktober 2021
Zu Beginn des Herbstes leiden die Börsen unter größeren Spannungen und Probleme: Zum einen belastet die mögliche Pleite der chinesischen Immobilien-Firma Evergrande, zum anderen explodieren die Preise für Öl, Gas und Kohle und werfen Fragen nach der Energiesicherheit auf. Doch wo Probleme sind, ist Angst meist nicht fern. Und Angst kann eine Chance sein.
Probleme im Minuten-Takt
So ruhig die Sommerperiode bis Anfang September war, so turbulent endet der September. Dabei stellt die absehbare Pleite des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande nur eines der möglichen Schreckgespenste für die Aktienmärkte dar. Dieser Faktor scheint seine negativsten Einflüsse jedoch bereits ausgeübt zu haben. Denn sowohl die chinesischen Aktienmärkte als Ganzes, als auch Evergrande im Speziellen, befinden sich seit Monaten im Sinkflug. Bis dato weitgehend unbeobachtet, zumindest unkommentiert von der klassischen Börsenberichterstattung.
Das hat sich im September geändert und Evergrande ist in den Mittelpunkt gerückt. Eine solche Entwicklung ist typisch für einen "Reifeprozess" der Märkte. Die Zuspitzung und die daraus resultierende Angst stellen den Abschluss eines "Erkennen"-Prozesses dar. In unserem Stimmungszyklus-Modell (ein paar Erläuterungen dazu finden Sie hier) ist damit bereits ein Großteil der negativen Wegstrecke aus diesem Event gegangen worden. Zwar kann ein "Panik"-Tag, der bei der offiziellen Pleiteankündigung möglich ist, nicht ausgeschlossen werden. Doch eine solche Panik würde den Abschluss dieser Krise und damit eine Kaufchance markieren.
Wichtiger als Evergrande dürfte die Entwicklung der weltweiten Preise für Energierohstoffe sein. Die Preise für Rohöl sind schon ganzjährig im Aufwärtstrend. Gas und Kohle dagegen haben sich erst in den letzten Wochen massiv verteuert. So ist beispielsweise der Gaspreis in den USA seit April um mehr als 100% gestiegen. Australische Kohle wiederum hat sich seit September 2020 fast um 300% verteuert. Zu den steigenden Preisen kommen zum Teil auch Lieferprobleme, die sich bereits seit längerem u.a. in den stark steigenden Frachtraten (wie berichteten in den Vormonaten) reflektieren.
In UK sind die Probleme besonders akut, da hier ein Mangel an LKW-Fahrern zu Versorgungsengpässen an Tankstellen kommen und einzelne Stromversorger ihr Geschäft inzwischen einstellen mussten, da ihnen die Beschaffungskosten aus dem Ruder gelaufen sind.
Eine Energiekrise ist potentiell gefährlicher für die Märkte, da ein echter Versorgungsmangel - anders als ein Geldmangel bei einer Immobiliengesellschaft - nicht so einfach zu beseitigen ist und damit die weltweite Konjunkturentwicklung belasten dürfte. Bislang ist dies noch nicht der Fall. Die neusten Daten der sentix Konjunkturindizes (https://eco.sentix.de) reflektieren zwar eine weitere Moderation des Aufschwungs. Dieser Prozess entspricht aber noch unserem Basisszenario eines "mid cycle slowdowns".
Bearishes Sentiment als Chance?
Auf die Anlegerstimmung haben sich diese Nachrichten jedoch deutlich ausgewirkt. Wir messen in der aktuellen sentix Umfrage einen erheblichen Pessimismus der Anleger. Gleichzeitig bleibt das mittelfristige Grundvertrauen der Anleger in Aktien gegeben. Hierin drückt sich ebenfalls aus, dass die Anleger derzeit nicht davon ausgehen, dass die diskutierten "Aufreger" die Weltwirtschaft von ihrem Erholungspfad abbringen werden.
Ein Blick in die sentix Historie zeigt, dass eine solche Kombination aus negativer Stimmung und stabilem Grundvertrauen ordentliche Kurschancen auf Sicht von 8-16 Wochen für Anleger bereithält. Das vierte Quartal 2021 verspricht also ein positives zu werden. Auch saisonal gilt das vierte Quartal ohnehin als aussichtsreiche Periode im Jahresverlauf für Aktien.
Doch es gibt zwei Schönheitsfehler. Der erste und weniger relevante ist die offene Regierungsfrage in Deutschland. Da das schlimmste Szenrio eines starken Linksrutsches nicht zum Tragen kommt, wird für die Börsen vor allem wichtig sein, wie viel Marktwirtschaft sich im neuen Koalitionsvertrag einer mutmaßlich SPD-geführtem Ampelregierung finden wird. "Politische Börsen haben kurze Beine", deshalb messen wir der Phase der Regierungsbildung nicht das größte Gewicht bei, wenngleich einzelne Tage der Unruhe möglich erscheinen.
Weit gewichtiger als Risikofaktor ist für uns, dass sich die Anleger bislang nicht entsprechend ihrer Stimmungslage verhalten haben. Ein Angstlevel, wie das aktuell von uns gemessene, führt gewöhnlich auch zu Absicherungsmaßnahmen bzw. einer defensiven Ausrichtung der Portfolien. Das ist aktuell weder bei den Profis noch den Privaten der Fall. Die professionellen Anleger haben zwar seit Jahresbeginn per Saldo Risiko abgebaut, sind aber keineswegs defensiv ausgerichtet. Die Privatanleger dagegen beharren auf ihrer seit fast einem Jahr bestehenden deutlichen Überinvestierung.
Diese Diskrepanz zwischen Sentiment und Risikoverhalten ist ungewöhnlich und dürfte sich deutlich bremsend auswirken. Die Kurschancen, die bei einer so schlechten Stimmung in unserer statistischen Analyse angezeigt werden, dürften also mit hoher Wahrscheinlichkeit unterdurchschnittlich ausfallen. Und sollte sich die aktuelle Energiekrise unerwartet doch zu einem größeren Problem entwickeln, würde das Sentiment wohl den Markt nicht gegen Kursverluste absichern.
Der Blick auf das Risikoradar
Welche Chancen und Risiken werden aus dem sentix Risikoradar für die einzelnen Märkte angezeigt? Wie erwähnt werde für Aktien aus der negativen Stimmung heraus Kurschancen angezeigt. Gleiches gilt für die Bundesanleihen. Auch hier sind die Sentimentwerte so schwach, dass eine Gegenreaktion wahrscheinlich wird. Damit könnten Bonds auch ein gewisses Gegengewicht bei weiter sinkenden Aktienkursen liefern. Bei Gold halten sich Pro und Kontra-Argumente aktuell die Waage. Stimmung und überverkaufte Lage sprechen für steigende Goldpreise, die noch immer gegebene Überinvestierung der Anleger dämpft dagegen die Kurshoffnungen. Bei Öl wiederum mehren sich die Risikofaktoren, was die Hoffnung nährt, dass der aktuelle Energiepreisanstieg nicht völlig aus dem Ruder laufen wird.
Wie sich unsere Fonds in diesem Umfeld positionieren und wie die Entwicklung im abgelaufenen Monat war, erfahren Sie je nach Fonds hier: